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Die Neurostimulation hat sich als fester Bestandteil des Therapiespektrums für die Behandlung der pharmakoresistenten Epilepsie etabliert. PD Dr. Elisabeth Kaufmann ist Oberärztin am Epilepsiezentrum der LMU München und hat erst kürzlich in der Zeitschrift für Epileptologie einen Artikel zum Thema Neurostimulation veröffentlicht. Wir freuen uns, dass wir ihren Beitrag für den Newsletter der Jungen Neurologie (Mai 2024) hier ebenfalls posten dürfen.
Die Neurostimulation hat sich als fester Bestandteil des Therapiespektrums für die Behandlung der pharmakoresistenten Epilepsie etabliert. Ihr Einsatz kann erwogen werden, wenn unter medikamentöser Therapie keine Anfallsfreiheit erzielt werden kann und zudem eine resektive Operation nicht möglich ist, nicht erfolgreich verlief, oder vom Betroffenen abgelehnt wird. Typische Konstellationen sind beispielsweise eine multifokale Epilepsie, eine nicht genau lokalisierbare Epilepsie, oder die Lokalisation der Anfallsursprungszone im Bereich von eloquentem Kortex. In Deutschland stehen uns hierfür derzeit drei CE-zertifizierte Verfahren zur Verfügung: Die Vagus-Nerv-Stimulation (VNS, seit 1997), die Tiefenhirnstimulation mit Stimulation im anterioren Nucleus des Thalamus (ANT-THS, seit 2010), sowie die 2022 zugelassene minimal-invasive fokale Kortexstimulation (FCS). Ziel der Neurostimulationsbehandlung ist es, die Anfallsschwere und die -frequenz zu reduzieren. Studiendaten zeigen, dass im langfristigen Verlauf bei über 60-70% der Patienten eine mindestens 50%ige Anfallsfrequenzreduktion erzielt werden kann. Auch wenn Anfallsfreiheit kein primäres Ziel der Stimulationsbehandlung darstellt beziehungsweise nur in Einzelfällen erzielt werden kann, muss hervorgehoben werden, dass die Reduktion der Symptomlast – wie zum Beispiel Ausbleiben der Sturzanfälle - für diese Gruppe der meist schwer betroffenen Epilepsie-Patienten und deren Familien eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität darstellen kann. Begleitend kommt es in der Regel zu einer Reduktion der anfallsassoziierten Komplikationen einschließlich SUDEP (Sudden Unexpected Death in Epilepsy).
Auch wenn Effektivität und Sicherheit der Neurostimulation bereits gut belegt sind, bleiben derzeit noch viele Fragen zu Prädiktoren für ein gutes klinisches Ansprechen sowie die pathophysiologische Wirkungsweise offen. Bislang wird der Effekt der Neurostimulation auf eine direkte Beeinflussung der Propagation der Anfallsaktivität durch mehrheitlich pulsatile Dauerstimulation und eine manuell ausgelöste Pulsabgabe bei Bedarf zurückgeführt. Zudem wird ein langfristiger Effekt durch Neuromodulation vermutet. Unbekannt bleibt derzeit, wie die Beeinflussung der epileptogenen Zone (s. FCS) oder des epileptogenen Netzwerks (remote Stimulation, s. VNS, ANT-THS) zum anfallssuppressiven Effekt führen. Ebenso fehlen systematische Untersuchungen zu verschiedenen Stimulationsparadigmen. Laufende Forschungsaktivitäten und Bestrebungen der Industrie zielen auf die Entwicklung von closed-loop Systemen, die basierend auf einer Anfallserkennung eine automatisierte Stimulationspulsabgabe ermöglichen, und somit die Effektivität weiter verbessern sollen.
Bedenkt man, dass sich ca. ein Drittel aller Epilepsiepatienten als pharmakoresistent erweist, erscheint es überraschend, dass die Neurostimulationsbehandlung nach wie vor sehr selten zum Einsatz kommt. Eine wesentliche Limitation stellt sicherlich die begrenzte Verfügbarkeit dar, da die invasiven Stimulationsverfahren eine Zentrumsexpertise erfordern. Dies könnte sich zukünftig durch die Weiterentwicklung bestehender Systeme und die Zulassung nicht-invasiver Stimulationsverfahren wie der transkraniellen Gleichstromstimulation perspektivisch ändern. Es besteht somit berechtigte Hoffnung, dass den Betroffenen zukünftig auch nicht-invasive, individualisierte Neurostimulations-systeme angeboten werden können, die als nebenwirkungsarme Therapien eine wertvolle Ergänzung der Therapielandschaft darstellen würden.
PD Dr. med. Elisabeth Kaufmann
Neurologische Klinik und Poliklinik, LMU Klinikum Campus Großhadern
elisabeth.kaufmann@med.uni-muenchen.de
Dieser Beitrag erschien im Newsletter der Jungen Epileptologie im Mai 2024.
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